Integrative Arbeit

Ein wesentlicher Bestandteil der integrativen Kindertagesstätte Sternschnuppe ist die Inklusion. Im März 2014 erweiterten wir unser Betreuungsangebot um eine integrative Gruppe, d.h.  weitere 15 Plätze für Kinder im Alter von 2-6 Jahren, davon fünf Plätze für Kinder mit einer Beeinträchtigung.

 

Die Plätze für  Kinder mit einer Beeinträchtigung bedürfen einer Diagnose und werden gemeinsam mit den zuständigen Personen der Kreisverwaltung des Landkreises Mainz-Bingen vergeben. 

 

Die Integration von Kindern mit besonderem Förderbedarf ist aufgrund gesellschaftspolitischer Forderungen und des Bedarfs in der Praxis ein wichtiges Thema der Elementarpädagogik. Kinder mit Behinderung sollen unter Berücksichtigung ihres individuellen Teilhabebedarfs gemeinsam mit Kindern ohne Behinderung gefördert und betreut werden. Hierzu ist der Auf- und Ausbau eines flächendeckenden integrativen, wohnortnahen Angebots notwendig.

  

Grundlagen und Zielsetzung der integrativen Arbeit

 

Wir möchten der Entwicklung von Vorurteilen rechtzeitig vorbeugen und erachten es als notwendig und sinnvoll, behinderte und nicht behinderte Kinder so früh als möglich gemeinsam zu betreuen und zu fördern.  

 

Die Vorteile einer frühen Inklusion sind: 

  • das Lernen der Akzeptanz von „Anderssein“, das gerade für die Identitätsbildung behinderter Kinder besonders wichtig ist
  • das positive Verarbeiten von Widersprüchen mit der bisherigen eigenen Erfahrung, die sich für nicht behinderte Kinder im Kontakt mit behinderten ergeben
  • die Vermeidung der Entstehung von Vorurteilen und das unbefangene aufeinander Zugehen
  • die Chance verstärkte soziale Kompetenzen zu entwickeln, die sich für nicht behinderte Kinder aus der Vielfalt an unterschiedlichen Kontaktmöglichkeiten ergibt
  • die Vorbildfunktion und den Anreiz, den nicht behinderte Kinder für behinderte Kinder bei der Ausbildung sozialer, sprachlicher, kognitiver und sensomotorischer Fähigkeiten bieten 
  • und die, im Gegensatz zur Schule, nur in altersgemischten Kindergartengruppen mögliche Vorbildfunktion, die größere Kinder für kleinere im normalen Umgang mit behinderten Kindern haben können.

 

Durch das „Prinzip der Wohnortnähe“, der Dezentralisierung des Betreuungsangebotes soll es Kindern mit einer Beeinträchtigung ermöglicht werden, eine Einrichtung in ihrem Wohngebiet zusammen mit den anderen Kindern zu besuchen.

 

Integrative / inklusive  Arbeit in Kindertagesstätten ermöglicht und unterstützt „das Zusammenleben unterschiedlichster Kinder, d.h. ohne Ansehen von Geschlecht, Nationalität und ohne Ansehen irgendwelcher stigmatisierender Leistungsprinzipien oder anderer aus der Norm fallenden Schwierigkeiten und Fähigkeiten“. Sie beschreibt übergreifend nicht nur die Arbeit mit behinderten oder von Behinderung bedrohten Kindern, sondern auch mit entwicklungsverzögerten, verhaltensauffälligen und chronisch kranken Kindern sowie mit Kindern, die einen sonstigen besonderen Förderbedarf aufgrund von Störungen oder Auffälligkeiten haben.

 

Für die Ziele der Integrationsarbeit heißt das:

Jedes Kind hat einen Platz in der Gemeinschaft. Kinder unterschiedlicher Herkunft, Kultur und Entwicklung bereichern sich gegenseitig in ihrer individuellen Persönlichkeit. Sie lernen von- und miteinander und es entstehen ein natürlicher Umgang sowie eine Normalität im gemeinsamen Spiel und Handeln.

 

Die Kinder lernen eigene Stärken und Schwächen kennen, die es positiv anzunehmen gilt. Davon profitiert nicht nur der Einzelne, sondern die Gemeinschaft. Die Sensibilität für einander wird geweckt und die Kinder entwickeln Verständnis und Toleranz. Integration bedeutet Annehmen und Akzeptieren, aber auch angenommen und akzeptiert zu werden.

 

Jedes Kind wird in seiner Eigenart wahrgenommen und es muss dort abgeholt werden, wo es in seiner Entwicklung steht.  Individuelle Entfaltungs- und Fördermöglichkeiten sollen es in seiner Persönlichkeitsentwicklung, in seinem Selbstbewusstsein und in seinem eigenständigen Handeln unterstützen. Das Prinzip der Ganzheitlichkeit bestimmt die gesamte pädagogische Arbeit.

 

 

 

Vor der Aufnahme eines behinderten oder von Behinderung bedrohten Kindes in eine Kindertagesstätte muss ein ärztliches Gutachten erstellt werden, in dem die Beeinträchtigung bzw. deren Bedrohung diagnostiziert wird. Neben dem Vorliegen einer Fachexpertise ist die Entscheidung der Teilhabekonferenz wesentliche Voraussetzung für die Aufnahme eines Kindes mit Behinderung in die integrative Einrichtung.

 

Die im Folgenden beschriebenen personellen Leistungen zur Integrationsarbeit in kommunalen Kindertagesstätten basieren auf dieser Förderung der Einzelintegration.

 

     Heilpädagogische und erzieherische Leistungen 

  • gezielte Förderung des einzelnen Kindes unter Berücksichtigung seiner individuellen Fähigkeiten und Behinderungen
  • Wahrnehmungsförderung
  • Soziale und emotionale Begleitung und Förderung
    • Selbstbewusstsein
    • Selbstwertgefühl / Ich-Identität
    • Beziehungs- Gruppen- Anpassungsfähigkeit
    • Fähigkeit, Bedürfnisse und Wünsche zu äußern und umzusetzen
    • Lebenspraktische Erziehung und Förderung
      • Hilfe zur Selbsthilfe
      • Selbständigkeit
      • Unterstützung bei der Einnahme des Essens
      • Sauberkeitstraining
      • Körperpflege (Windeln)
      • Hilfestellung beim An- und Ausziehen
      • Übung mit Hilfsmitteln
    • Kognitive Erziehung und Förderung
      • Zeitliche und Räumliche Orientierung
      • Verständnis von Größen, Mengen, Farben, Formen
      • Konzentrationsfähigkeit
      • Zuordnungs- Merkfähigkeit
      • Begriffsbildung
      • Erkennen von Zusammenhängen
    • Kommunikationsförderung
      • Spracherwerb (Sprachanbahnung, Sprachaufbau, Sprachverständnis)
      • Artikulationsfähigkeit
      • Nonverbale Kommunikation ( z.B. Gebärden unterstützende Kommunikation)
    • Erlernen und Einüben von Handlungsplanung / -abläufen
    • Dokumentation
    • Physiotherapie: individuelle physiotherapeutische Behandlung und Förderung von Kindern mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen/Behinderungen und Entwicklungsproblemen
    • Physiotherapeutische Einzeltherapie/Behandlung auf der Grundlage neurophysiologischer Techniken
    • Gruppentherapie: Zusammenstellung und Durchführung von Gruppen im Hinblick auf verschiedene psychomotorische Ziele und Fähigkeiten
    • Beratung, Anpassung, Kontrolle bei Hilfsmittelversorgung
    • Kontinuierliche Diagnostik und Überprüfung der Therapieerfolge
    • Interdisziplinäre Zusammenarbeit im Team, mit anderen Institutionen und Eltern.

 

         Therapien

 

  • Logopädische Behandlungen/Ergotherapeutische Behandlungen: individuelle sprachtherapeutische Behandlung und Förderung von Kindern mit Sprachentwicklungsverzögerungen unterschiedlichen Schweregrades und Sprachstörungen, sowie Mund- und Esstherapie
  • Befunderhebung und regelmäßige Dokumentation über Stand und Verlauf der Therapie
  • Therapiedurchführung in Einzel- und/oder Gruppenbehandlungen nach logopädisch/sonderpädagogisch indizierten Methoden und Ansätzen unter Berücksichtigung des individuellen Lerntempos
  • Beratung und Austausch mit Eltern
  • Interdisziplinäre Arbeit (Gruppen- und Gesamtteamgespräche; Weitergabe Therapie unterstützender Maßnahmen / Handhabungen / Anregungen an die Kolleginnen im Gruppenbereich) 

 

 

Anforderungen an das heilpädagogische Fachpersonal

 

Ziel des heilpädagogischen Fachpersonals der Kindertagesstätte ist die praktische Umsetzung der Integration in enger Zusammenarbeit mit dem pädagogischen Fachpersonal der Einrichtung.

 

Erforderliche Qualifikation:

Siehe die Regelungen des 7. Entwurfes zu den Leistungsvereinbarungen nach § 93 Abs. 2 BSHG für Sonderkindergärten und integrative Kindergärten.

 

 

 

Pädagogische Aufgaben:

  • Einzelarbeit oder Arbeiten mit der Kleingruppe
  • Auseinandersetzen (und ggf. Arbeit) mit der gesamten Gruppe
  • Verbindung herstellen zwischen Kind mit besonderem Förderbedarf und Gruppe
  • Umsetzen der eigenen fachlichen Kompetenz über verschiedene Behandlungsmethoden und Einsetzen des heilpädagogischen Materials
  • Blick „von außen“ wahrnehmen

 

Zusammenarbeit im Team:

  • Beraten der Mitarbeiter/innen; kollegiale Fallberatung
  • Informieren über verschiedene Krankheitsbilder
  • Aufzeigen von Handlungsmöglichkeiten
  • Aufzeigen möglicher anderer Perspektiven
  • Weiterentwicklung des Integrationsgedanken
  • Regelmäßige Teamsupervision

 

Zusammenarbeit mit den Eltern:

  • Elterngespräche anbieten
  • Beratung von Eltern durchführen

Zusammenarbeit mit anderen Institutionen:

  • Kontakte nutzen und zur Verfügung stellen
  • Erstellung des individuellen Teilhabeplans
  • Vernetzung mit anderen Kindertagesstätten pflegen
  • Kontakte zu Schulen pflegen
  • Kontakte mit behandelnden Ärzten
  • Kontakte mit Frühförderstellen, Integrationsfachdiensten, Familienhilfen, Familienentlastenden Diensten und sonstigen Institutionen

Vor-/Nachbereitung:

  • in Eigenverantwortung und in Absprache mit dem Team durchführen
  • Dokumentation
  • Aktenführung
  • Regelmäßige Fortbildungen

Organisatorische Aufgaben:

  • Organisieren von Spielmaterial
  • Organisieren von Hilfsmaterial

Berücksichtigt werden sollte weiterhin, dass einige Kinder mit Behinderung spezielle Integrationshelfer/innen haben. Auch dieses externe Personal gilt es in das Stammteam zu integrieren. Ein regelmäßiger Austausch im Team sollte zeitlich und vertraglich geregelt sein. 

 

    

 

 Zusammenarbeit mit anderen Institutionen

 

Wichtiger Aspekt in der integrativen Arbeit ist die Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen. Sie ist zum einen zwingende Notwendigkeit für Kind, Eltern und die Kindertagesstätte. Der fachliche Austausch und die Beratung eröffnen darüber hinaus einen anderen Blickwinkel und Zugang zum Kind. Dies setzt sowohl die Bereitschaft zu intensiver interdisziplinärer Zusammenarbeit mit verschiedenen Berufsgruppen als auch eine transparente Darstellung der eigenen Arbeitsorganisation und Pädagogik voraus.

 

Beispielhafte Kontakte:

 

  • Klinikum / Ärzte
  • Frühförderung
  • Erziehungsberatungsstellen
  • Allgemeiner Sozialer Dienst
  • Verschiedene Therapeuten (Ergotherapeuten, Logopäden, Physiotherapeuten …)
  • Integrative Einrichtungen
  • Förderschulen, Grundschulen
  • Verbände und Vereine
  • Selbsthilfegruppen

 Gesetzliche Grundlagen

 

Der Begriff der Behinderung ist in § 2 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) gesetzlich definiert. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.

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    Das Sozialhilferecht als das primär für die Leistungserbringung in Frage kommende Rechtsgebiet knüpft an den Begriff der Behinderung im Sinne des SGB IX an. Für die Eingliederungshilfe nach SGB XII muss darüber hinaus das Merkmal der Wesentlichkeit vorliegen.

     

    Besonderes Ziel der Eingliederungshilfe ist es, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft einzugliedern. Diesen Menschen soll die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht oder erleichtert werden.

     

    Die Förderung in der integrativen Kindertagesstätte ist eine teilstationäre Betreuungsmaßnahme im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII (§§ 53 ff SGB XII).

     

    Neben dem Vorliegen einer bestehenden oder drohenden Behinderung muss auf Grund der individuellen Bedarfslage eine teilstationäre Betreuung notwendig und erforderlich sein. Diese Feststellung erfolgt im Rahmen des Teilhabeplanverfahrens zwischen Sozialhilfeträger, Eltern und der integrativen Einrichtung, sowie bei Bedarf mit weiteren beteiligten Institutionen (z.B. Frühförderzentren).